Alte Sprachen aktuell - Ortswechsel

Inhalt 

Unter dem Motto Ortswechsel will der diesjährige Konstanzer Tag der Altertums­wissenschaft das Thema Reisen und Mobilität in der Antike unter ganz unter­schiedlichen Perspektiven in den Blick nehmen und neue (Forschungs-)Horizonte erschließen. Einerseits sollen Fragen der antiken Globalisierung nicht nur anhand der weltumspannenden Handelskontakte der Oasenstadt Palmyra diskutiert werden, sondern auch im Kontext religiös motivierten Reisens in der christlichen Spätantike, innerhalb dessen das Pilgern ins Heilige Land nur eine, freilich nachhaltig wirksame Spielart war. Andererseits wird scheinbar Randständiges in den Focus gerückt und neu perspektiviert: Ciceros nach römischen Klatsch- und Tratschgeschichten hungern­de Briefe aus Kilikien eröffnen interessante Einblicke in das Aufmerksamkeitsregime der römischen Führungsschicht. Die auf den ersten Blick monotonen Füllverse, mit denen Vergil die zahlreichen Abfahrten und Ankünfte der Trojaner auf ihrem Weg von Troja nach Latium beschreibt, werden auf ihre vielfältigen narrativen, struk­turellen und semantischen Funktionen innerhalb der Aeneis untersucht. Und schließ­lich sollen Informationen zu neuesten digitalen Technologien, die das antike Rom auch virtuell erfahrbar machen, zur Aktualisierung und Erweiterung schulischer Exkur­sionsprogramme beitragen und so ganz konkret den nächsten Ortswechsel nach Rom unterstützen.

Programm

I. Wo-Anders-Sein
10.00 - 11.45 Uhr

Cicero in Kilikien
Prof. Dr. Ulrich Gotter (Alte Geschichte)

Vom Persischen Golf bis Britannien: Palmyrener unterwegs
Prof. Dr. Stefan R. Hauser (Archäologie)

Kaffeepause

II. Von Troja nach Latium
12.15 - 13.00 Uhr

Abfahrt und Ankunft in Vergils Aeneis
Prof. Dr. Barbara Feichtinger (Latinistik)

Mittagspause

III. Peregrinatio religiosa
14.00 - 14.45 Uhr

Pilgern und Pilger in der Spätantike
Prof. Dr. Steffen Diefenbach (Alte Geschichte)

IV. Urbs Roma digital
14.45 - 15.30 Uhr

Wenn der Unterrichtsort wechselt: Digital-unterstützte Vermittlungsange­bo­te für eine Rom-Exkursion
Marie Revellio (Latinistik)

Kaffee und Diskussion
15.30 - 16.30 Uhr

 

Abstracts

Cicero in Kilikien
Prof. Dr. Ulrich Gotter (Alte Geschichte)
Die Ortswechsel des M. Tullius Cicero waren stets ein Geschenk für Nachwelt und Forschung. Denn in diesen Zeiten der Abwesenheit von der großen römischen Bühne schrieb er Briefe, allen voran seine am wenigsten artifiziellen an den Freund Atticus. Die vielleicht merkwürdigsten aus dieser Serie sind seine Briefe aus Kilikien, wohin er im Jahr 51 v. Chr. als Promagistrat ging. Sie haben aus mehreren Gründen einen ganz eigenen Duktus. Durch die große Entfernung Kleinasiens von Italien war seine Abwesenheit konzeptionell von Dauer, und die Promagistratur, die den meisten anderen römischen Aristokraten als große Chance erschien, war für ihn kaum mehr als ein ehrenhaftes Exil. In dieser Situation war er geradezu süchtig nach allen Nachrichten aus der Hauptstadt und selbst mehr als bereit, alle von Atticus berichteten Affären sowie jeden Klatsch und Tratsch zu kommentieren. So entstanden sehr unklassische literarische Produkte, die uns das Aufmerksamkeitsregime der römischen Führungsschicht konkurrenzlos plastisch vor Augen führen.

Vom Persischen Golf bis Britannien: Palmyrener unterwegs 
Prof. Dr. Stefan R. Hauser (Archäologie)
Mit dem steigenden Interesse an Globalisierung sind in den letzten Jahren der Austausch von Gütern und anderen Dingen sowie die Mobilität von Menschen in der Antike immer mehr in den Fokus der Forschung geraten. Dies hat inzwischen seinen Niederschlag im Schulcurriculum Geschichte gefunden, wo die antike Welt auch über die Außenkontakte, v.a. in Handelsfragen, des Römischen Reiches beschrieben werden soll. Der intensive Austausch durch Waren- und Personenverkehr lässt sich beispielhaft über die Oasenstadt Palmyra in der syrischen Steppe und die weitverzweigten Beziehungen ihrer Bewohner darstellen. Durch Inschriften, Bildwerke und Objekte sind Palmyrener innerhalb des Reiches nicht nur in Syrien, sondern auch in Britannien, Dakien und den Zuwanderervierteln Roms nachgewiesen. Gleichzeitig nahmen Palmyre­ner intensiv teil am Handel Babyloniens mit Indien und China. Dafür ließen sich Gruppen von Palmyrenern in den Handelszentren des Arsaki­denreiches nieder. Der Vortrag nutzt die vielfältigen Quellen zum wirtschaftlichen und kulturellen Austausch von Palmyrenern zwischen Britannien und dem Persischen Golf als Beispiel für eine Verflechtungs­geschichte der antiken Welt.

Abfahrt und Ankunft in Vergils Aeneis 
Prof. Dr. Barbara Feichtinger (Latinistik)
Da es sich bei dem vergilischen Epos (auch) um die identitätsstiftende Erzählung einer translatio imperiiin Form einer langen (Irr-)Fahrt handelt, ist es nur naheliegend, dass Abfahrt und Ankunft in der Aeneis (insbe­sondere in der ersten Werkhälfte) ein wiederkehrendes Motiv darstellen. Allerdings wurde bisher den auf den ersten Blick monotonen, an ge­brauchs­literarischen periplous-Stil erinnernden Versen, mit denen der Dichter den Reiseverlauf schildert, recht wenig Bedeutung beigemessen. Bei näherer Betrachtung zeigt sich freilich, dass die im Detail sehr varia­tionsreich gestalteten Abfahrts- und Ankunftsschilderungen nicht nur Ele­mente der narrativen Rauminszenierung, sondern – gerade auch in ihren intertextuellen Bezügen - strukturell wie semantisch hoch funktional und für den Deutungshorizont der Aeneisinsgesamt von vielfältiger Bedeu­tung sind.

Pilgern und Pilger in der Spätantike 
Prof. Dr. Steffen Diefenbach (Alte Geschichte)
Das Pilgern ist fraglos eine besondere Form des Ortswechsels. Es steht nach landläufiger Vorstellung für eine religiös motivierte Form der Mobilität, die zwar nicht permanent, aber doch von einer gewissen Dauer ist und von den Beteiligten als ein mehr oder weniger einschneidendes biographisches Ereignis oder gar als Zäsur erlebt wird. Mit Blick auf die Ursprünge der Pilgerschaft wird in der Forschung der jüngeren Zeit verstärkt die Frage aufgeworfen, ob es sich dabei um ein spezifisch christliches Konzept handelt oder ob das Pilgern im Wesentlichen als ein Akkulturationsphänomen einzustufen ist, das die Einflüsse der nichtchristlichen Umwelt auf die christliche Religion widerspiegelt. Vor dem Hintergrund dieser Diskussion erscheint es dementsprechend lohnenswert, die Frage nach den spezifischen Ausprägungen des christlichen Pilgerwesens in der Spätantike aufzuwerfen und die unterschiedlichen Voraussetzungen, aus denen heraus es sich entwickelte, in den Blick zu nehmen. Von Interesse sind in diesem Zusammenhang nicht allein die Konzeptualisierungen, Begründungen und kritischen Infragestellungen, die das Pilgerwesen im Rahmen des christlichen Diskurses erfuhr, sondern auch die konkreten Erscheinungsformen und räumlichen Inszenierungen, in denen das Pilgern als eine kulturelle Praxis seinen performativen Ausdruck fand.

Wenn der Unterrichtsort wechselt: Digital-unterstützte Vermittlungsange­bo­te für eine Rom-Exkursion 
Marie Revellio (Latinistik)
Schulische Exkursionen nach Rom tauschen das Klassenzimmer mit der realen Stadt als Erkundungsobjekt. Dadurch ermöglichen sie, die im Unterricht als abstrakten Ort behandelte historische Stadt für Schülerinnen und Schüler sinnlich erfahrbar zu machen. Gerade neuere Entwicklungen im Bereich der Virtual und Augmented Reality-Technologien können diesen zunächst rein geographischen Wechsel des Lernortes nochmals erweitern, indem sie durch eine Verschiebung auch der zeitlichen Dimension virtuelle Zeitreisen ermöglichen. Der Beitrag will zur Aktualisierung und Erweiterung des schulischen Exkursionsprogramms nach Rom beitragen. Neben der Einbindung fachwissenschaftlicher Literatur wird der Schwerpunkt auf archäologischen Stätten liegen, die mit neuesten Technologien wie Virtual Reality, digitalen Rekonstruktionen, 3D oder graphischen Effekten auf alternative museale Vermittlungswege setzen.

Ihre Investition 
Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung ist erforderlich / GymnasiallehrerInnen aus Baden-Württemberg nutzen für die Anmeldung auf LFB-Online die LG-Nr. 5DGMR
Termin 
15.11.2019 10:00 bis 16:30